"Kameradschaft Köln"

Im Oktober 1998 wurde unter Beteiligung des damals 15-jährigen Axel Reitz die neonazistische Kameradschaft Köln gegründet. Sie nannte sich nach einem im Straßenkampf umgekommenen SA-Mann auch Kameradschaft Walter Spangenberg. Bereits die Gründungsfeier verlief verheißungsvoll. Die “Kameradschaft” hatte für die Veranstaltung am 14. November 1998 unter falschem Namen Räumlichkeiten einer Kirchengemeinde in Köln-Humboldt angemietet. Die Feier konnte allerdings nicht wie geplant zu Ende geführt werden - sie wurde von der Polizei gestürmt, die das Treffen offenbar observiert hatte. Mehrere ehemalige Mitglieder der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und der Deutschen Alternative (DA)(1) hatten an der Veranstaltung teilgenommen. Entsprechend betrachtete die Staatsschutzabteilung der Kölner Polizei die Kameradschaft Köln als Nachfolgeorganisation der verbotenen FAP. (2)

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KDS-Treffen 2004 in Leverkusen

Axel Reitz entpuppte sich in der folgenden Zeit als glühender Verehrer des verstorbenen Neonaziführers Michael Kühnen und unterzeichnete Briefe gerne mit “Michael Kühnen - und du siegst doch”. Trotz seines absurden Auftretens in SA-Montur und seiner schwülstigen Reden übernahm er nach dem Tod von Siegfried Lutz in der Kameradschaft Köln den Posten des “Kameradschaftsführers”. Er arbeitete sich zu einer der maßgeblichen Figuren im Spektrum der neonazistischen “Freien Kameradschaften” in Nordrhein-Westfalen hoch.

“Die werden erschossen”

Als 1999 der im Juli 2008 wegen Erfolglosigkeit wieder aufgelöste Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) von langjährigen Kadern verbotener neonazistischer Organisationen gegründet wurde (darunter Thomas Brehl, Michael Thiel und Frank Hübner (3)), trat ihm die Kameradschaft Köln / Walter Spangenberg 1999 geschlossen bei. Bei einer KDS-Veranstaltung, die im Juli 1999 in einer Gaststätte an der Aachener Straße stattfand, trat Reitz neben dem KDS-Aktivisten Michael Koth, einem ehemaligen Funktionär diverser K-Gruppen, als Redner auf. In SA-ähnlicher Uniform und mit SA-Abzeichen dekoriert, verkündete Reitz: “Denen (gemeint war der politische Gegner, d.Red.) wird irgendwann der Kopf abgeschlagen. Die werden auf den Marktplatz gestellt und erschossen für das, was sie getan haben. In diesem Sinne Sieg Heil!” (4)

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KDS-Zeitung Der Gegenangriff

Wenn die Ausrichtung des KDS noch irgendwie verdeutlicht werden müsste, dann könnte das ein Ereignis vom 9. November 2002 tun. Während andere an diesem Tag der Reichspogromnacht und des Holocaust gedachten, hielt der KDS in einer Kleingartenanlage in Köln-Mülheim ein “Gauleitertreffen” ab. Der 9. November hat in der extremen Rechten eine andere Bedeutung: Er ist der Jahrestag des (fehlgeschlagenen) Hitler-Putsches vom 9. November 1923. Obwohl das KDS-Treffen von aufmerksamen Anwohnern entdeckt und angezeigt wurde, griff die Polizei nicht ein.

Bekenntnis zu Volk und Staat

Ideologisch bezog sich der KDS ganz offen auf den Nationalsozialismus. Mit Bezug auf diejenige Strömung innerhalb der NSDAP, die vor allem in der SA stark war und oft irreführend als “linker” Flügel der Partei bezeichnet wird, erklärte der KDS sich zur “nationalrevolutionären” Organisation. Er wollte mit einer so genannten Querfrontstrategie die Gegensätze zwischen links und rechts aufheben und eine Einheitsfront auf der “Basis von Volk und Heimat” schaffen. Offen forderte er einen “Nationalen Sozialismus”. “Auch die Losung Europas muss heißen: International: Nationaler Sozialismus!”, heißt es in einer Strategiedarstellung des KDS (5). Die Organisation wollte ein “Diskussions- und Kampfforum auf der Basis des gemeinsamen Bekenntnisses zu Volk und Staat” sein. In der Praxis kam es jedoch nie zu einer Zusammenarbeit zwischen dem KDS und linken Gruppen.

Antiamerikanismus und Antisemitismus durchzogen die Ideologie des KDS. In einer Publikation mit dem Titel "Wetterleuchten", die der KDS als sein “theoretisches Organ” bezeichnete und die laut seinen Angaben “Informationen zur nationalpolitischen Bildung” beinhaltete, wurde unter dem Slogan “Nationalisierung statt Globalisierung” die Weltlage erklärt. (6) Die USA werden als einer der Vorreiter der Globalisierung und als herrschende Weltmacht zum Hauptfeind erkoren - und mit ihnen zugleich “jüdische Finanzoligarchen und -cliquen” (Rothschild, Oppenheimer). Freund für den KDS war, wer sich gegen die USA und Israel positioniert. Das drückte sich in Kontakten zur irakischen Botschaft aus oder auch in Besuchen, die Reitz und Koth der nordkoreanischen Botschaft abstatteten. “Deswegen ist Saddam Hussein für uns groß und bewundernswert”, erklärte Reitz einst, “weil er es geschafft hat, wie unser Führer Adolf Hitler sein Volk hinter sich zu bringen, und das Volk steht hinter ihm. Er hat den Irak zu einer der orientalischen Art und Mentalität entsprechenden orientalischen Variante des nationalsozialistischen Volksstaates gemacht.” (7) Im Jahr 2003 führte der KDS in Köln eine Solidaritätsdemonstration für Saddam Hussein durch.

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Kameradschaft Köln fordert die Freilassung von Saddam Hussein, Ende 2003

Auch dem nordkoreanischen Regime fühlte der KDS sich eng verbunden. “Verteidigt das volkssozialistische Nordkorea (KDVR) unter Führung des Genossen Kim Jong Il gegen alle Aggressionsbestrebungen des US-Imperialismus und seiner südkoreanischen Marionetten!”, lautete ein Kampfauftrag aus dem Jahr 2007. Michael Koth hatte Nordkorea bereits 1995 bereist. (8)

Aktionsbüro Westdeutschland

Die Kameradschaft Köln bzw. der KDS haben bereits eine Vielzahl von Aufmärschen und Kundgebungen organisiert. Paul Breuer, rechte Hand von Axel Reitz, hatte bereits die erste große Kölner Neonazi-Demonstration am 22. Mai 1999 angemeldet, die gegen die Ausstellung “Verbrechen der Wehrmacht” gerichtet war. Reitz und Breuer arbeiten dabei oftmals eng mit dem Hamburger Neonazi-Kader Christian Worch zusammen.

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Kölner Neonaziaktivist Paul Breuer...

In Anlehnung an das Aktionsbüro Norddeutschland haben Reitz und einige andere im Jahr 2004 das Aktionsbüro Westdeutschland (Ab West) gegründet, das “den Freien Widerstand in Rheinland-Westfalen festigen und die regionalen Strukturen verbessern” soll. (9) Nach mehreren erfolglosen Anläufen wollten die Gründer eine Vernetzungs- und Koordinierungsstelle für die neonazistischen “Freien Kameradschaften” schaffen, hieß es in einem von Reitz mitunterzeichneten Gründungspapier. Das AB West machte vor allem durch zahlreiche Aufmärsche von sich reden, bei denen Reitz oft als Redner auftrat. Die Streitigkeiten innerhalb der Szene konnte das AB West bisher jedoch nicht überwinden. Nur ein Teil der NRW-”Kameradschaften” schloss sich ihm an. Die Teilnehmerzahl an den Aufmärschen blieb in einem überschaubaren Rahmen von jeweils 50 bis 300 Personen.

Volksverhetzung

Im Sommer 2006 wurde Reitz, der bereits zuvor diverse Bewährungsstrafen erhalten hatte, u.a. wegen Volksverhetzung zu 33 Monaten Haft verurteilt. Er hatte 2004 auf einer Demonstration in Bochum, die sich gegen den Bau einer Synagoge richtete, eine antisemitische Hetzrede gehalten: “Es ist uns nahezu unmöglich gemacht, etwas gegen das auserwählte Völkchen Gottes zu tun. Und mit dieser arroganten Art richten sie (die Juden, d.Red.) sich selbst zugrunde. Und ich könnte nicht sagen, dass mir das Leid tut”. (10) Im August 2006 wurde auch Breuer wegen antisemitischer Hetze und Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Seitdem wurde es ruhiger um das Ab West. Es ist ihm nicht gelungen, weitere Nachwuchskader heranzuziehen. Die entstandene Lücke füllten die “Autonomen Nationalisten” u.a. mit der Gründung der AG Rheinland, der die Kameradschaft Köln 2007 beitrat.

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...und sein Kameradschaftsführer Axel Reitz

Seit seiner Haftentlassung Anfang 2008 ist Reitz wieder in der Szene aktiv. Am 12. und 26. April 2008 trat er als Redner auf von “Freien Kameradschaften” bzw. der NPD organisierten Demonstrationen in Stolberg auf. Am 14. Juni 2008 lud er zu einem “Treffen freier, nationaler Kräfte” in Pulheim ein, an dem u.a. die Neonazi-Kader Christian Worch und Thomas Brehl teilnahmen. Anwesend war auch Reinhold Leidenfrost, ein ehemaliger Jagdflieger der Wehrmacht. (11) Reitz versucht offensichtlich, seine Führungsposition wieder einzunehmen. Ob er damit den daniederliegenden Strukturen der “Freien Kameradschaften” Schwung geben kann, bleibt abzuwarten.


(1) Kölner Stadt-Anzeiger 16.11.1998. Unter anderem nahm Rainer Gallianer, ein ehemaliges Mitglied der Deutschen Alternative (DA), an dem Treffen teil.
(2) Kölner Stadt-Anzeiger 16.11.1998
(3) Frank Hübner und Michael Thiel gehörten der verbotenen Deutschen Alternative (DA) an, Thomas Brehl war in der Aktion Nationale Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) als rechte Hand von Michael Kühnen tätig.
(4) Express 5.8.2000
(5) Durch die Querfront zum Sozialismus, www.kds-im-netz.de
(6) Wetterleuchten Nr. 9/2007
(7) Frontal 21 08.10.2002
(8) http://www.kds-im-netz.de/plakate/nordkorea.htm
(9) LOTTA. Antifaschistische Zeitung aus NRW #22, 2006
(10) Kölner Stadt-Anzeiger 23.07.2007
(11) http://www.ag-rheinland.net/aktuelles/2008-06-15treffenfreierkraefte.htm